Warum uns die Europäische Union am Herzen liegt?
Gedanken vor der Europawahl: Heute in Europa leben zu dürfen ist ein
Glück, um das uns sehr viele Menschen beneiden. Frieden und Sicherheit,
Freiheit und Wohlstand sind vier tragende Säulen der europäischen
Integration. Das sind Werte und Errungenschaften, für die es sich lohnt,
mit aller Kraft, mit Herz und Verstand auch in Zukunft einzutreten.
Dennoch zweifeln mehr Menschen an Europa und der EU, nicht nur in
Großbritannien. Zuviel Streit, zu viel Technokraten, zu viele
Detailregelungen von Gurkenkrümmungen über Glühbirnen bis Staubsaugern,
lauten nur einige der Vorwürfe. Angst vor Kriminalität macht sich breit,
vor Überfremdung durch Zuwanderer, vor Vermögensverlust durch die
Eurokrise oder durch die Globalisierung. Manch einen beschleicht ein
ungutes Gefühl, dass Europa nur bei Schönwetterperioden funktioniert,
den aktuellen oder künftigen Herausforderungen aber nicht gewachsen
scheint. Ja, es fällt manchmal schwer, im Alltag den Wert der
Europäischen Integration zu erkennen. So einiges ist - aus heutiger
Sicht betrachtet - auch schief gelaufen. Politische Entscheidungen haben
manchmal tatsächliche Schwierigkeiten zeitweise überdeckt. Kritiker
wurden an den Rand gedrängt, ja bisweilen mundtot gemacht. Denken wir an
die Warnungen bei der Einführung des Euro in Griechenland oder beim
Wegfall der Grenzkontrollen ohne ausreichenden Schutz der
EU-Außengrenzen. In anderen Bereichen hat sich die EU eingemischt,
obwohl es viele Menschen gar nicht wollten. Manchmal waren auch die
Fachlobbyisten der einzelnen Mitgliedsstaaten die treibende Kraft im
Hintergrund, die eine europäische Regelung ins Leben riefen und dann
Brüssel den schwarzen Peter zugeschoben haben. Die Vertrauenskrise der
EU hat verschiedene Ursachen. Jetzt sind die Staaten Europas gefordert,
zu überlegen, wie es mit Europa mit der EU weitergehen soll, wie
verloren gegangenes Vertrauen zurückgewonnen werden kann und welche
Änderungen im Selbstverständnis der EU vor allem in der gelebten und
erfahrbaren EU-Praxis nötig sind. Unser Vorschlag lautet: Lasst die
tragenden Säulen der Europäischen Integration Frieden und Sicherheit,
Freiheit und Wohlstand wieder für jeden erfahrbar werden:
Europa wahrt unseren Frieden
1945 lag ganz Europa in Trümmern. Wir kennen die Bilder von Dresden
und anderen Städten. Die Gründungsväter der EU wollten ihr „Nie wieder
Krieg“ am besten dadurch sichern, indem sich die Länder vor allem
wirtschaftlich eng miteinander verbinden. Wer miteinander handelt, wer
den anderen braucht, der schießt nicht auf ihn, war ihre einfache Logik.
Daraus ist die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft und später die EU
entstanden. Ergebnis: Über 70 Jahre kein Krieg innerhalb der
EU-Mitgliedsstaaten und das erstmalig in der Geschichte unseres
Kontinents! Doch Krieg und Bürgerkrieg, Mord und Zerstörung sind leider
nicht verschwunden. Die Nachrichten sind voll davon. In Syrien, Irak,
Libyen, im Jemen und im Sudan, ja sogar ganz nah in der Ostukraine
leiden Millionen von Menschen unter Krieg und Gewalt.
Europa gibt uns Sicherheit
Islamistische Ideologie, Terror, Flüchtlingsströme, Bürgerkriege und
letztlich die wirtschaftliche Perspektivlosigkeit von Millionen von
Menschen berühren auch Europa. Wir aber wollen weiter ohne Angst leben.
Deshalb heißt unsere Antwort: Erhöhte Wachsamkeit, Stärkung unserer
Sicherheitskräfte und intensivere Zusammenarbeit zwischen den Ländern.
Ohne die EU wäre das viel komplizierter, unser Alltag wäre weit
unsicherer.
Europa schützt unsere Freiheit
Die Staaten Europas schützen die freie Entfaltung eines jeden
Menschen und die Menschenrechte. Seine Meinung frei zu äußern, seinen
Glauben zu leben, seine Talente zu entfalten und das alles im
gegenseitigen Respekt für andere, das ist für uns eine
Selbstverständlichkeit. Wir wissen, eine Herrschaft des Rechts bei einem
Gewaltmonopol des Staates sind unverzichtbare Voraussetzungen für ein
selbstbestimmtes Leben ohne Angst. Doch heute erleben wir auf Neue, dass
dies in vielen Ländern nicht oder nicht mehr so ist. Autoritäre Regime,
ja sogar Diktaturen sind wieder auf dem Vormarsch.
Europa sichert unseren Wohlstand
Wo wir in Sicherheit und Freiheit unser Leben bestimmen können, dort
entfalten sich unsere Talente am besten. Ein gemeinsamer Markt
unterstützt das, der Waren, Dienstleistungen, Kapital und auch Menschen
die größtmögliche Freizügigkeit bei fairem Wettbewerb gewährt. Ergebnis:
Nirgendwo sonst lebt ein so großer Teil der Bevölkerung im
wirtschaftlichen Wohlstand wie bei uns in Europa. Wohlstand sichert
Lebenschancen, für uns ist das selbstverständlich. Doch darum beneiden
uns Millionen junger Menschen, die zu uns drängen. Es lohnt sich also
mit aller Kraft und Leidenschaft, mit Herz und Verstand für ein Europa
einzutreten, das fest auf diesen vier Säulen steht. Wir müssen fragen:
Wie können wir diese vier Säulen am besten sichern? Mag sein, dass die
Art und Weise der Erreichung künftig eine andere sein könnte, als
bisher, denn auch die Rahmenbedingungen haben sich geändert. Darüber
erwarten wir eine offene Diskussion und ein politisches Ringen um die
beste Lösung. Tabus oder Vorverurteilungen helfen nicht weiter.
Beispiele: Grenzkontrollen sind lästig. Wenn aber die Sicherung der
EU-Außengrenzen nicht hinreichend gewährleistet werden kann oder die
Bevölkerung dem EU-Grenzregime nicht vertraut, dann können
Grenzkontrollen notwendig werden. Der Euro brachte einen großen Schub an
wirtschaftlicher Integration und Deutschland hat davon besonders
profitiert. Heute wird allerdings auch immer deutlicher, dass eine
gemeinsame Währung eine gemeinsame Wirtschafts- und Finanzpolitik
voraussetzt. Und doch sehen wir, dass diese schwer zu erreichen ist.
Deshalb müssen Alternativen zur jetzigen Währungsunion gedacht und
ergebnisoffen diskutiert werden dürfen. Personenfreizügigkeit ist ein
hohes Gut. Wir sehen aber, überhöhte Einwanderung, auch wenn sie nicht
vorrangig in die Sozialsysteme erfolgt, löst Fremdenfeindlichkeit und
Abwehrreflexe aus, wie sie auch bei der BREXIT-Entscheidung zum Ausdruck
kam. Wir müssen fragen, inwieweit Staaten ihre Einwanderungspolitik
einschließlich des Zuzugs von EU-Bürgern eigenständig regeln können
sollen.
Vertrauen gewinnt, wer zentrale Fragen, die viele auch emotional
bewegen, offen diskutiert und um die besten Antworten ringt. Vertrauen
gewinnt, wer die zentralen Werte der EU mit Leben erfüllt und sie im
täglichen Leben der Bürger erfahrbar macht. Machen wir uns gemeinsam auf
den Weg. Für eine erneuerte EU in Frieden und Sicherheit, Freiheit und
Wohlstand!